In den letzten Jahren hat die Welt des digitalen Marketings eine echte Revolution erlebt. Das Aufkommen virtueller Influencer – computergenerierte Persönlichkeiten, die als echte Influencer in den sozialen Medien fungieren – verändert die Art und Weise, wie Marken mit ihrem Publikum kommunizieren, und definiert die Grenzen zwischen Realität und Werbung neu. Diese neue Ära des digitalen Brandings bringt zahlreiche Vorteile, aber auch Herausforderungen für Unternehmen und Internetnutzer mit sich.
Virtuelle Influencer sind digital erstellte Persönlichkeiten, die mithilfe fortschrittlicher Technologien wie 3D-Modellierung, computergenerierten Bildern (CGI), Animation und künstlicher Intelligenz (KI) gestaltet werden. Obwohl sie keine physische Präsenz oder reale Existenz haben, sehen diese digitalen Wesen aus, kommunizieren und verhalten sich sehr ähnlich wie echte Menschen und bauen sich so eine große Fangemeinde in sozialen Netzwerken auf. Ihre Inhalte, Interaktionen und ihr Image werden vollständig von den Marken kontrolliert, die sie erschaffen haben, und sie unterliegen keinen Stimmungsschwankungen, persönlichen Umständen oder anderen menschlichen Faktoren, was eine ständige Verfügbarkeit und Konsistenz in der Kommunikation ermöglicht.
Eines der bekanntesten globalen Beispiele ist Lil Miquela, eine digitale Influencerin, die seit ihrem Debüt im Jahr 2016 Millionen von Followern gewonnen und mit renommierten Modehäusern wie Prada und Calvin Klein zusammengearbeitet hat. In Asien sticht Imma als erste virtuelle Influencerin hervor, die für ihre Partnerschaften mit renommierten Marken wie Lenovo und SK-II bekannt ist. Diese Beispiele zeigen deutlich, wie digitale Influencer zu einem unverzichtbaren Bestandteil moderner Marketingkampagnen werden und die Grenze zwischen realen und virtuellen Persönlichkeiten in den sozialen Medien zunehmend verschwimmt.
Virtuelle Influencer sind besonders erfolgreich in der Mode- und Lifestyle-Branche, aber ihr Einsatzbereich erweitert sich zunehmend auf Technologie, Gesundheitswesen, Finanzen und Bauwesen.
Beispielsweise hat der koreanische virtuelle Influencer Rozy.gram mit Versicherungsgesellschaften zusammengearbeitet, während Guggimon, geschaffen von Superplastic, zum Gesicht von Streetwear-Marken wie Off-White geworden ist.
Obwohl viele Nutzer zunächst überrascht oder sogar unbehaglich reagieren, wenn sie erfahren, dass sie einer „Person“ folgen, die nicht existiert, zeigen Untersuchungen, dass das Publikum im Allgemeinen positiv auf virtuelle Influencer reagiert. Jüngere Generationen, insbesondere die Generation Z und Alpha, die mit digitalen Welten und Videospielen aufgewachsen sind, haben eine viel höhere Toleranz für solche Neuheiten. Für sie ist die Grenze zwischen real und digital viel flexibler.
Darüber hinaus sind die meisten Nutzer, wenn der Inhalt authentisch und relevant ist, nicht übermäßig daran interessiert, ob die Person real ist – für sie zählt vielmehr, wofür diese „Person“ steht und inwiefern sie mit ihren Werten und Interessen übereinstimmt.
Der Einsatz virtueller Influencer im Marketing wirft jedoch eine Reihe ethischer Dilemmata auf, die sorgfältig abgewogen werden müssen. Ein zentrales Problem betrifft die Transparenz – das Publikum ist sich nicht immer bewusst, dass die Figur digital erstellt wurde, was zu einer Täuschung der Nutzer führen und das Vertrauen in die Marke hinter solchen Inhalten schädigen kann.
Eine weitere Herausforderung ist der Mangel an authentischer menschlicher Erfahrung. Obwohl virtuelle Influencer über wichtige gesellschaftliche Themen wie psychische Gesundheit, Armut oder Geschlechtergleichstellung sprechen können, mangelt es ihren Botschaften oft an persönlicher Verankerung, was sie in den Augen des Publikums oberflächlich oder sogar manipulativ erscheinen lassen kann.
Darüber hinaus wirft der zunehmende Einsatz digitaler Influencer Fragen hinsichtlich der möglichen Ersetzung realer Menschen in der Kreativbranche auf. Mit dem Fortschritt der Technologien könnten diese digitalen Wesen zu direkten Konkurrenten für professionelle Influencer und andere Kreative werden, was eine breitere Debatte über die Auswirkungen der Automatisierung auf Arbeitsplätze in den digitalen Medien und der Werbung auslösen könnte.
Trotz ethischer Herausforderungen stellt die Entwicklung virtueller Influencer einen unaufhaltsamen Trend in der Entwicklung der digitalen Kommunikation dar. Ihr Einsatz erweitert sich zunehmend über soziale Medien hinaus – hin zu Videospielen, dem Metaversum, digitalen Assistenten und sogar Bildungsplattformen.
Marken, die relevant bleiben wollen, müssen ein ausgewogenes Verhältnis zwischen technologischer Innovation und Authentizität finden. Die erfolgreichsten Kampagnen werden diejenigen sein, die das kreative Potenzial virtueller Influencer mit echten menschlichen Werten und Emotionen kombinieren.
Virtuelle Influencer sind nicht nur ein vorübergehender technologischer Trend, sondern signalisieren einen tiefgreifenden Wandel in der Art und Weise, wie Kommunikation, Content-Erstellung und Vertrauensbildung in der digitalen Umgebung stattfinden. Die neue Ära des digitalen Brandings eröffnet Raum für unbegrenzte Kreativität, bringt aber auch die Verantwortung mit sich, diese Möglichkeiten transparent und verantwortungsbewusst zu nutzen. Da die Technologie die Grenzen zwischen real und virtuell immer weiter verwischt, werden sich Marken, die dies rechtzeitig erkennen und sich strategisch darauf einstellen, als Vorreiter in der neuen digitalen Landschaft positionieren.